Très chic und frankophil begehen wir unser Jubiläumsjahr, kommen doch mit Laurence Tardieu, Dominique Manotti und Jérôme Leroy gleich drei Gäste aus Frankreich zu Lesungen zu uns in den Buchladen. Das Geld des gewonnenen Buchhandlungspreises verpulvern wir mit Freude (natürlich nur zu einem kleinen Teil!) für Wein, Sekt und kulinarische Genüsse, um im Mai 2018 zusammen mit unserer treuen Kundschaft den Buchladen-Geburtstag angemessen zu begehen. Das Ganze begleitet von den schönen Klängen eines diatonischen Knopfakkordeons. Ein Höhepunkt des Jahres wird am 6. November die große Benefiz-Lesung „Lesen hilft“ in der Hauptkirche St. Katharinen. Bei dieser gemeinsamen Veranstaltung von Hamburger Buchhandlungen und Verlagen und namhaften Autorinnen und Autoren kommen die gesamten Einnahmen „Sea-Watch e. V.“ zugute.
Das neue Jahr beginnt turbulent und sorgt für Ängste in der Buchbranche. Unser Buchgroßhändler KNV geht in Insolvenz und Verlagen und Buchhandlungen drohen dadurch hohe finanzielle Verluste und Lieferschwierigkeiten. Beruhigung tritt erst ein, als das Logistikunternehmen „Zeitfracht“ übernimmt und die Geschäfte fortführt. Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nichts. Ansonsten? The same procedure as every year: Unsere Buchvorstellungsabende mit Weinprobe sind Monate im Voraus ausgebucht, ebenso die Lesungen mit Jochen Schimmang in der „Langen Nacht der Literatur Hamburg“ und mit Karin Kalisa während der „Woche unabhängiger Buchhandlungen“. Und da das alles auch finanziert sein will, karren wir in den Sommerwochen – während andere am Mittelmeerstrand liegen – Bücher in diverse Hamburger Schulen. Das wird Schulbuchgeschäft genannt und sorgt für viel Muckis bei wenig Marge.
Im Januar 2020 ist Corona noch eine „kleine Grippe“ im fernen Wuhan. So starten wir wohlgemut in ein neues Buchladen- und Lesungsjahr, gleich mit zwei Veranstaltungen und echtem Publikum. Es sollten für lange Zeit die letzten sein. Denn dann ist sie da, die Pandemie. Mitte März wird uns der Buchladen geschlossen, doch mit viel (Pedal-)Kraft machen wir aus der Situation das Beste: Rechnungen werden geschrieben, Päckchen gepackt und zu Fuß, mit Fahrrad und Motorrad werden die bestellten Bücher im Viertel ausgeliefert. Unser Newsletter mit Buchtipps erwächst zum Leitmedium, der Web-Shop explodiert beinahe. Und irgendwann ist auch die letzte Netzflick-Serie geguckt und das letzte Puzzle gelegt. Kinos, Konzerthallen, Theater und Fußballstadien bleiben zu. So viel Zeit zum Lesen war nie. Pünktlich zum Sommerbeginn startet dann wieder das Schulbuchgeschäft. Preisfrage: Was ist schlimmer, als bei 30 Grad Celsius zehn Tonnen Schulbücher ohne Fahrstuhl in den ersten Stock einer Stadtteilschule zu schleppen? Richtig! Bei Temperaturen von 30 Grad Celsius zehn Tonnen Schulbücher ohne Fahrstuhl, dafür aber mit FFP2-Maske im Gesicht, in den ersten Stock einer Stadtteilschule zu schleppen! Für zwei Lesungen bekommt der Buchladen Kirchenasyl, und so schaffen wir es auch in diesem Seuchenjahr doch noch, Veranstaltungen mit Publikum durchzuführen. Pünktlich in die Hochzeit des Weihnachtsgeschäfts platzt dann der nächsten Lockdown. Aber: „Wir schaffen das!“ (Sagte doch schon Angela Merkel.)
So beginnt auch das Jahr 2021 im Lockdown mit dem Schielen auf Inzidenzwerte, dem Warten auf Impftermine und der Hoffnung, dass das alles bitte irgendwann einmal endet. Langeweile kommt bei uns jedenfalls nicht auf, denn zum Jahresbeginn verabschiedet sich eine langjährige verdiente Kollegin in den Ruhestand und nur wenig später bereichert eine wunderbare neue Kollegin das Buchladen-Team. Frei nach Giuseppe Tomasi di Lampedusa : „Alles muss sich ändern, damit alles so bleibt, wie es ist.“