Die mit der Wiedervereinigung versprochenen blühenden Landschaften lassen in den neuen Bundesländern noch auf sich warten. Der unabhängige Buchhandel jedoch floriert weiter. Das „Kursbuch“ steht hoch im Kurs, große Stapel vom „Kursbuch“ und auch vom „Freibeuter“ warten im Buchladen Quartal für Quartal auf Abholung durch die heute unvorstellbar große Zahl von Abonnentinnen und Abonnenten. Der Verlag „Neue Kritik“ zählt den Buchladen 1992 zu seinen landesweit stärksten Kunden.
Die Arbeit im selbstverwalteten Buchhandel entpuppt sich als offensichtlich höchst attraktive Lebensform, wöchentlich erreichen den Buchladen Bewerbungsschreiben. In der Sortimentsgestaltung leistet sich das Kollektiv weiter den „Luxus der totalen Voreingenommenheit“ und verschließt doch die Augen nicht vor zusätzlichen willkommenen Einkommensquellen.
Der Büchertisch auf der spannenden Ausstellung „Die Elbe – ein Lebenslauf“ in den Deichtorhallen spült zum Jahresende 1992 zusätzliches Geld in die Kasse.
Zur Feier der Volljährigkeit lädt der Buchladen 1996 zu Wein, Selter und Pistazienkernen.
Eine lokale Buchhandlungskette hält es wenig später für eine gute Idee, in unserer unmittelbaren Nachbarschaft eine große Filiale zu eröffnen. Wir finden diese Idee verständlicherweise eher suboptimal, stellen uns aber natürlich auch dieser neuen ökonomischen Herausforderung.
Bald schon ist Rettung in Sicht: Im Sommer 1999 macht die viel diskutierte Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ Station in der „Freien Akademie der Künste“ und wir machen den Büchertisch, zusammen mit zwei befreundeten Buchhandlungen.
Die Ausstellung beschert uns neben spannenden Debatten und rechtsradikalen Drohungen auch dringend benötigte Zusatzeinnahmen und lässt uns bald ein wenig entspannter auf die täglichen Kontoauszüge blicken.